Der bunte Flugdrachen – Symbol des Glaubens?!
Liebe Gemeinde,
Ich möchte heute mit Ihnen über Drachen sprechen. Und darüber, was sie mit meinem Glauben zu tun haben.
Ein bunter Flugdrachen also, so wie unten auf dem Liedblatt zu sehen, als Glaubenssymbol. Passt das? Ein typisch christliches oder biblisches Motiv ist der Drachen ja nun nicht gerade. Doch lassen Sie uns einfach gemeinsam ein bisschen auf Entdeckungsreise gehen…
Da ist zunächst einmal der weite blaue Himmel, der sehr viel Raum auf dem Bild einnimmt. Der blaue Himmel, der Freiheit verheißt. Glaube bedeutet für mich Freiheit. Ich darf sein die ich bin und mir dabei der Liebe Gottes gewiss sein. Eine Liebe, die nie endet und die an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Diese Liebe macht mich frei.
Sie befreit mich von dem Zwang perfekt zu sein und erlaubt es mir, auch Fehler zu machen.
Sie nimmt mir die Last, bestimmte Erwartungen erfüllen zu müssen.
Sie lässt mich meine Wege gehen und lässt mich dabei dennoch niemals im Stich.
Drachen sind frei. Gleichzeitig hängen sie aber auch an einer Schur. Diese Schnur brauchen sie unbedingt.
Sicher, in die Luft käme der Drachen auch ohne die Schnur, aber es würde ihn wohl ziemlich schnell einfach davon wehen. Er flöge keine gute Bahn. Würde keinerlei Begrenzung erfahren und im Falle eines Absturzes wäre es schwer, den Drachen wiederzufinden. Freiheit, frei sein, funktioniert also nur in Verbindung mit dieser Schnur.
Mein Glaube ist für mich auch eine solche Schnur. Sie ist so zusagen die „Verbindung nach Oben“. Meine Verankerung. Das, woran ich mein Leben fest mache. Die Schnur gibt mir Halt und Orientierung. Wie ein „roter Faden“, der sich durch mein Leben zieht. Mal mehr, mal weniger deutlich zu erkennen, manchmal ganz geradlinig, manchmal etwas verdreht und verknotet, aber auf jeden Fall immer da.
Meistens fliegen Drachen nicht allein am Himmel. Oft sind da noch ganz viele Andere. So wie es auch auf dem Bild zu sehen ist.
Form, Farbe und Größe sind dabei ganz verschieden. So wie auch bei uns Christinnen und Christen. Auch unter uns ist die Vielfalt groß. Jeder hat seine ganz eigenen Gaben. Jede ihre eigene Spiritualität. Doch in all unserer Verschiedenheit sind wir eine Gemeinschaft. Glaube ist für mich Gemeinschaft. Allein glauben, das funktioniert für mich nicht. Zumindest nicht auf Dauer. Ich brauche Menschen, mit denen ich mich austauschen, mit denen ich in Beziehung treten kann. Erst das macht den Glauben lebendig. Wenn da Menschen sind, mit denen ich gemeinsam meinen Glauben leben und gestalten kann.
In der Konfiarbeit oder auch auf Freizeiten wird das für mich immer wieder ganz besonders deutlich. Da kommen Jugendliche zusammen, die oft verschiedener nicht sein könnten, aber sie alle verbindet eine Sache: Der christliche Glaube oder zumindest ein gewisses Maß an Neugier, was es mit Gott und diesem Jesus wohl auf sich hat. Am Anfang sind sie meist sehr zögerlich. Trauen sich nicht, über den eigenen Glauben zu sprechen. Haben Berührungsängste. Aber nach einer Weile. Nach zwei Wochen Sommerfreizeit, einem halben Jahr Konfiunterricht und einer intensiven Konfifahrt, dann tauen sie langsam auf. Denn es zeigt sich: Hey, wir sind ja Viele! Das bin nicht nur ich, die in ihrem stillen Kämmerlein hockt und ein Gebet vor sich hin murmelt, sondern da sind noch mehr. Und sie alle glauben „irgendwie“, haben ihre Fragen und Überzeugungen. Und dann wird der Glaube lebendig. Nimmt Form und Farbe an. Entwickelt sich. Wenn die Jugendlichen merken, da sind Menschen, die ticken ähnlich wie ich, mit denen kann ich mich austauschen, wir können mit- und voneinander lernen. Das bringt die Gemeinschaft!
Und dann ist da noch der Wind. Er gehört zum Drachen steigen wie Wasser zum Rudern oder Schnee zum Ski fahren. Ohne ihn geht es nicht.
Im Glaubensleben gibt es diesen Wind auch. Hier nennen wir ihn Heiliger Geist. Ja, in unserem Leben weht der Geist Gottes. Das ist es, was wir heute feiern. Wir feiern Gottes guten Geist, der in uns den Glauben weckt und stärkt. Der unserem Leben Antrieb und Richtung verleiht. Gäbe es ihn nicht, wären weiter Himmel, Lenkschnur und vielfältige Gemeinschaft sinn- und wirkungslos. Erst der Geist Gottes haucht dem Ganzen Leben ein.
Freiheit in verbindlichen Grenzen. Lebendige Gemeinschaft und das frische Wehen des Heiligen Geistes. Das alles macht meinen Glauben aus.
Wäre es da nicht schön, wenn wir an dieser Stelle jetzt einfach Schluss machen könnten?!
Im Glauben, da fühle ich mich wie ein leuchtend bunter Drachen an einem blauen, wolkenlosen Himmel, der sich, gemeinsam mit vielen anderen leuchtend bunten Drachen, von einem lauen Lüftchen durch die Gegen treiben lässt. Dabei bin ich völlig frei. Kann Loopings schlagen, nach rechts und links ausschweifen, hoch hinauf aufsteigen oder aber knapp über dem Erdboden schweben. Das alles ist mir möglich und gleichzeitig bin ich gehalten, ja gesichert, durch eine Schnur, die sicher stellt, dass ich nicht verloren gehe.
Klingt gut, oder?
Aber Sie kennen mich inzwischen: So leicht mache ich es Ihnen nicht. Weil es eben auch nicht so leicht ist.
Der Himmel ist nicht immer blau.
Drachen kann man auch an Wolkentagen steigen lassen.
Der Wind weht dann besonders stürmisch.
Den Drachen wedelt es umher, die Kontrolle über ihn zu halten ist dann schwieriger. Kostet mehr Kraft.
An solch „Trüben Tagen“, erscheinen die „Früchte des Heilige Geistes“, wie sie in Galater 5 genannt werden, eher mager. Sind schwer auffindbar.
Wo ist der Friede, wenn in Syrien und anderswo auf der Welt immer wieder Bomben fliegen?
Was ist mit der Liebe passiert, wenn zwischen Eltern der Rosenkrieg tobt und das Wohl der Kinder dabei völlig außer Acht gerät?
Wie schlimm ist es um unsere Freundlichkeit und Güte bestellt, wenn scheinbar kleine Meinungsverschiedenheiten in Familien oder der Nachbarschaft, in handfeste Streitigkeiten ausarten, die damit enden, dass die Kommunikation untereinander komplett verstummt und man sich nur noch aus dem Weg geht?
Ja, solche Turbulenzen gibt es immer wieder. Sie kosten Energie, rauben uns Kraft und Nerven und führen mitunter auch zu regelrechten „Glaubensflauten“.
In solchen Zeiten kann es leicht passieren, dass wir, und mit uns unser Glaube, am Boden liegen. Und was dann?
Dann heißt es bei Jesaja im 40. Kapitel:
“Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.
Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden.
Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen;
aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.”
Auch dieser Text ist in eine Situation hineingesprochen, in der gerade eher Flaute herrscht. Er richtet sich an die Menschen im Babylonischen Exil. Die Exulanten fühlten sich von Gott getrennt. Weit abgetrieben von dem Land ihrer Väter plagten sie Fragen und Zweifel. Sie waren müde und kraftlos. Der Drachen wollte nicht mehr so recht fliegen.
Und dann dieser Text!
Also, ich weiß ja nicht wie es Ihnen geht, liebe Gemeinde, aber mich macht dieser Text fast ein wenig atemlos. Ja, er raubt mir den Atem. Ganz besonders dieser erste Vers:
„Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.“
Wenn das kein Loblied auf die Größe Gottes ist!
Und, haben wir es gehört? Wissen wir es? Ist uns klar, wie groß und mächtig unser Gott ist?
„Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen;“
Straucheln und Fallen gehören zum Leben dazu. Jeder und jede ist mal seines Lebens müde, fühlt sich matt und von allen Kräften verlassen.
Doch auch in diesen Krisenzeiten ist ER da. Der HERR, der ewige Gott. ER wird nicht müde und matt. Er wird unserer nicht müde. Immer wieder hilft er uns auf, weist uns neu den Weg und gibt darauf acht, dass unsere Schnur, die Verbindung zu ihm, nicht abreißt.
„Aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
Das Motiv des Adlers macht es deutlich: Hier geht es nicht um Kraft im Sinne einer kleinen Stärkung, eines Energieschubs. Nicht um unsere menschliche, begrenzte Kraft. Nein, hier geht es um weit mehr. Um eine echte Wandlung von Schwäche in Stärke. Um die Überwindung eines Tiefpunktes. Um das Wiederaufstehen nach einer Niederlage oder einem Zusammenbruch.
Nicht ohne Grund ist dieser Text in der Perikopenordnung für einen Sonntag in der Osterzeit vorgeschlagen. Denn die Auferstehung Christi bedeutet genau das: Eine Wandlung von Schwäche in Stärke. Sie ist ein Geschenk Gottes an uns Menschen. Sie zeugt von der liebenden, heilenden und rettenden Macht Gottes. Die unerschöpfliche Kraft Gottes, aus der auch Jesus lebte.
Diese Kraft wird auch uns zuteil. Sie vermag es, Menschen wieder so zu stärken, dass sie sich beschwingt und kraftvoll wie Adler fühlen. Adler, die sich aus eigener Kraft empor heben. Die hinter sich lassen was gewesen ist und zu neuen Zielen aufbrechen. Ganz im Vertrauen darauf, dass der Wind unter ihren Flügeln sie trägt und die Strömung nicht abreißt.
Dieses Vertrauen, dass Gott auch Sie und mich immer wieder zu Adlern machen kann, das möchte ich gerne in Ihnen stärken. Davon möchte ich erzählen, das möchte ich mit Euch gemeinsam er-leben. Und deshalb freue ich mich, dass wir heute zwar in erster Linie Pfingsten, aber eben auch meine Ordination feiern und ich von nun an nicht nur im Rahmen des Konfirmandenunterrichts und der Arbeit mit Jugendlichen, sondern eben auch hier, im gemeinsamen Feiern von Gottesdiensten, davon erzählen darf, wie ich Gott in meinem Leben erfahre.
ER ist der Wind, den wir zum Fliegen brauchen. Dazu schenkt Gott uns seinen Geist. Heute, an Pfingsten, und an allen anderen Tagen, wenn wir nur auf ihn vertrauen. Wenn wir uns nicht unterkriegen lassen und alle Zeit auf den HERRN harren.
Im Hebräischen bedeutet „Harren“ so viel wie „gespannt, fest, stark sein“. Dahinter steht das Bild einer gespannten Schnur. Die fest gespannte Schnur eines Flugdrachens vielleicht, der sich auch an stürmischen Tagen nicht von seiner Befestigung löst und jeder Bö stand hält. Der bunte Flugdrache – also doch ein christliches, biblisches Motiv?! 🙂
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.
Ordinationspredigt von Jenny Gechert
gehalten am Pfingstmontag, 05.06.17