Predigt: Quasimodogeniti 07.04.2024

Diese Predigt hielt Pfarrerin Antje Bertenrath am Sonntag, 07.04.2024 in der Hennefer Christuskirche:

Bibeltext: Johannes 19, 19-29
19 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! 20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. 21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. 22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! 23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. 24 Thomas aber, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25 Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben. 26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! 27 Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29 Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! 

 

Liebe Gemeinde!

Ich glaube nicht an Dinosaurier.
Angeblich haben diese Landwirbeltiere vor 235 Millionen Jahren bis 66 Millionen Jahren den Erdball bevölkert. Die Wissenschaft beschäftigt sich intensiv mit den ausgestorbenen Lebewesen und findet anhand von Knochenfunden und Fossilien alles mögliche über die verschiedenen Arten und ihre vormalige Lebensweise heraus. In Filmen und Büchern tauchen diese Urzeitwesen immer wieder auf. Schon Vorschulkinder lernen im Alphabet „D wie Dino“ und können ihre Namen aufsagen. Sicher kennen Sie, liebe Leser und Zuhörerinnen, auch einige Arten mit Namen: den „Tyrannosaurus Rex“ z.B. oder den „Brontosaurus“.
Ich glaube nicht an Dinosaurier.
Ich kann mir eine Zeitspanne von 235 Millionen Jahren gar nicht vorstellen und ich bezweifle, dass Wissenschaftler das können. Diese Zahlen kommen durch irgendwelche Berechnungen zustande. Aber wer will denn wissen, was vor Millionen von Jahren hier auf der Erde los war? Menschen (homo sapiens) gibt es gerade mal seit 300.000 Jahren, auch das ist schon eine schwer zu überblickende Zeitspanne.
Ich glaube nicht an Dinosaurier.
Sie sind für meinen Alltag völlig egal. Und was auch immer die Wissenschaft über sie heraus findet, mag ja wahr und richtig sein, ist aber irrelevant für mein Leben.
Aber darum geht es beim „glauben“, dass etwas relevant wird für mein Leben und mir zum Leben hilft.
Ich glaube nicht an Dinosaurier. Ich weiß, dass diese Tiere ausgestorben sind. Und – ganz ehrlich – das finde ich sogar gut. Ich möchte keinem dieser Tiere begegnen.

Ich glaube nicht an Dinosaurier.

Ich glaube an Gott. Ich glaube an Jesus Christus.
Ich glaube an den Heiligen Geist.
Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen, die Vergebung der Sünden, die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Kein Wissenschaftler kann mir die Existenz Gottes beweisen.
Kein Knochenfund belegt, dass Jesus tatsächlich vor 2000 Jahren gelebt hat und die Kleider und Schweißtücher, die in manchen Kirchen verehrt werden, werden sehr wahrscheinlich auch keine Originalstücke sein.
Es gibt nichts zu messen, zu berechnen, zu analysieren.

Es gibt nur meine Erfahrung.
Ich war gestern im Garten. Ich sehe die Tulpen, die blühende Kirsche, die Maiglöckchen, die sprießen. Ich sehe wie das Leben um mich herum explodiert. Und ich sehe, da ist eine Lebenskraft in allem, die auch in mir wohnt, die mich morgens aufstehen lässt. Ich spüre den Atem, der mich durchströmt, Lebensodem, der mich atmet, automatisch – ich tue nichts dafür und der Atem hält mich am Leben.
Diese Lebenskraft, diesen Atem, die ich jeden Moment meines Lebens spüre, nenne ich Gott. Diese Schönheit in allem lässt mich Staunen, macht mir Freude, ich nenne sie Gott.
Die Gegenwart Gottes hilft mir zum Leben! Sie weckt Freude und Dankbarkeit. Sie stärkt meinen Lebensmut. Sie ist der Ursprung meines Lebens.
Ich erfahre die Gegenwart Gottes in der Schöpfung, deren Teil ich selber bin.

Während ich Unkraut zupfe und Töpfe bepflanze, mäht mein Mann den Rasen. Seit über 30 Jahren sind wir zusammen. Das waren nicht nur gute Jahre. Und wir sind uns manches schuldig geblieben, haben uns verletzt und haben heftige Krisen erlebt.
Und trotzdem haben wir an unserem „ja“ zueinander festgehalten.
Es gibt Zeiten, wo in der Familie, im Freundeskreis Spannungen entstehen oder sich Gleichgültigkeit breit macht, wo Beziehungen abkühlen – und dann bewegt sich etwas/ verändert sich die Situation/ Menschen können neu aufeinander zugehen. Ich habe Auferstehung erlebt und Vergebung und überraschende Wendungen – in meiner Ehe, in der Familie, unter Freunden.

Ich habe Menschen gesund werden sehen, ihres Lebens froh werden sehen, die sich schon aufgegeben hatten.
Ich kenne viele Menschen – und einige davon kommen regelmäßig in den Gottesdienst – die trotz schwerer Schicksalsschläge und unglücklicher Umstände, ihren Lebensmut behalten haben und voller Dankbarkeit ihr Leben annehmen.
Ich erlebe, wie wir miteinander verbunden werden, wenn wir Abendmahl feiern. Wir setzen uns zu Jesus in Beziehung, versammeln uns um seinen Tisch und lassen uns anstecken von seinem Vertrauen, seinem Lebensmut und seinem Todesmut.

Diese Erfahrungen von Gemeinschaft und Neuanfängen helfen mir zum Leben. Ich darf damit rechnen, dass wir „von guten Mächten wunderbar geborgen“ sind. Da ist eine Kraft die heilt, die zusammenhält, die Zukunft eröffnet.
Ich nenne das Liebe. Ich nenne das Gott. Gott ist die Liebe.
Ich erfahre die Gegenwart Gottes, in der Liebe, die mich (er-)trägt.

Immer wieder sitze ich in der Stille. Wach und aufmerksam sitze ich vor Gott. Und ich erfahre, wie die Stille mich verändert.
Sie wühlt alles mögliche auf in mir. Anderes setzt sich ab und klärt sich. Die Stille sammelt mich. Stärkt mein Vertrauen.
Die Stille verbindet mich mit Menschen aus den verschiedensten Religionen, die Gott ehren, indem sie da sind, gegenwärtig, offen für Begegnung. Ich höre in die Stille.
Nein, ich höre keine Stimmen.
Es kommt niemand durch verschlossene Türen zu mir.
Ich berühre keine Wunden des Gekreuzigten.
Ich sitze in der Gegenwart Gottes.
Und ich weiß, ich bin Teil
von Lebenskraft und Schönheit
von Vergebung und Neuanfängen
von Liebe und Frieden – von Shalom.
Ich erfahre die Gegenwart Gottes in der Stille.

Ich glaube nicht an Dinosaurier.
Ich glaube nicht alles, was über Gott erzählt wird.
Ich glaube nicht alles, was in der Bibel steht.
Das sollten Sie auch nicht tun.
Nehmen Sie Ihre Zweifel ernst. Glauben Sie nicht nach Hörensagen. Und stellen Sie kritisch in Frage, was man Ihnen als Kind so alles erzählt hat. Das ist heute nicht mehr alles richtig. (Und war es oft damals schon nicht.) Es gibt keinen Weihnachtsmann und keinen Osterhasen. Es sitzt niemand auf den Wolken, die verstorbene Oma ist kein Stern!

Machen Sie es wie Thomas!
Seien Sie ehrlich. Es gibt Dinge, die kann man nicht glauben, auch wenn sie wahr sind – z.B. weil sie völlig irrelevant sind für das eigene Leben.

Und andere Dinge kann man glauben, obwohl sie niemand beweisen kann, weil wir sie selber erlebt haben.
Meine Lebenserfahrung stärkt mein Vertrauen.
Meine Gotteserfahrung kann niemand anderes für mich machen.

Machen Sie es, wie Thomas.
Reden Sie mit anderen über Ihren Glauben und Ihren Unglauben.
Suchen sie Orte auf, an denen andere schon Gott begegnet sind.
Warten Sie geduldig,
öffnen Sie Ihre Sinne,
halten Sie aus. (Thomas wartet eine ganze Woche!)
Geben Sie Gott Gelegenheit, Sie zu berühren.
In der Schöpfung. In der Liebe. In der Stille. In der Kunst. Im Ritual.
Da wo ihr Herz brennt,
die Freude in Ihnen lacht,
Ihr Lebensmut gestärkt wird,
da begegnet Ihnen der Auferstandene.
Amen