Auf der Reeperbahn nachts um halb eins

Es war ein anstrengendes, aber unglaublich erlebnisreiches Wochenende, welches zehn junge Erwachsene gemeinsam mit Jugendleiterin Jenny Gechert in Hamburg erleben durften.

Und das, obwohl es am Freitagnachmittag zunächst etwas holprig losging. Stellwerkschaden im Kölner Hauptbahnhof. “Fahrt fällt aus” lautete die kurze, aber ernüchternde Info in der App der Deutschen Bahn. Doch glücklicherweise fahren ja täglich mehrere Züge nach Hamburg und so gelang es am Ende doch, zwar mit Verspätung und etwas Umweg, das Ziel der Reise – Hamburg Hauptbahnhof – zu erreichen.

20 Minuten nach Ankunft stand auch schon der erste Programmpunkt an: Eine Führung über den Kiez. Sankt Pauli bei Nacht. Das war für alle Teilnehmenden eine neue Erfahrung und bestätigte noch einmal: In Hennef leben wir doch alle sehr behütet. Sankt Pauli hat viele Gesichter: Es ist Party- und Touristenhochburg, dem Ballermann nicht unähnlich und zugleich Auffangbecken für diejenigen, die im Leben nicht so viel Glück haben. Obdachlose, einsame Seelen. Sie finden in den alt eingesessenen Kneipen am Hamburger Berg, wie zum Beispiel dem “Elbschlosskeller”, immer einen Ort um sich aufzuwärmen, etwas zu essen, Kräfte zu sammeln für den Alltag auf der Straße. Die bekannteste Seite Sankt Paulis aber ist wohl das Rotlichtviertel. Ab 20.00 Uhr stehen die Mädchen, die meisten von ihnen gerade 18 geworden, hier an der Straße und warten auf ihren Freier. Aus dem Fenster drei Stockwerke über ihnen schaut ein Mann, ihr “Beschützer”, wie er sich offiziell nennt. Es lässt einen schlucken, wenn einem klar wird, dass hier ist kein Film, keine Serie in der ARD – das ist die Realität unzähliger junger Frauen, die dem Irrglaube aufgesessen sind, durch das Geschäft mit ihrem Körper das große Geld machen zu können.

Wir laufen an diesem Abend noch lange über den Kiez und saugen diese ganz besondere Stimmung auf, die es so wohl nur auf Sankt Pauli gibt. Auch der Traditionskneipe “Hans Albers Klause” statten wir, gemeinsam mit unserem Guide, einen Besuch ab.

Unsere Jugendherberge lag sehr zentral, direkt oberhalb der “Landungsbrücken”, was es uns ermöglichte alle Wege, die es an diesem Wochenende zu gehen galt, zu Fuß zurückzulegen. Das führte dazu, dass die Schrittzähler am Samstag fast zu glühen begannen. 😉

Erster Programmpunkt nach dem Frühstück war eine Führung im Hamburger Dialoghaus. “Dialog im Dunkeln”. Eine Stunde lange führte ein sehbehinderte Mensch uns in Kleingruppen durch eine Landschaft, die komplett im Dunkeln lag. Alles, was zur Orientierung zur Verfügung stand, war ein Langstock für jeden, sowie das eigene Tast- und Hörvermögen. Mit viel Humor und interessanten Infos zum Leben eines sehbehinderten Menschen wurde die Gruppe zunächst durch einen Wald, dann durch eine Fußgängerzone, ein Wohnhaus und über eine viel befahrene Straße gelotst. Am Ende gab es für jeden der wollte noch ein Getränk und kleine Snacks in der Bar – welche selbstverständlich auch komplett dunkel war.

Das waren wirklich beeindruckende 60 Minuten, in denen wir alle sehr viel über das Leben ohne Augenlicht gelernt haben und selbst erfahren konnten, wie anstrengend es ist, wenn man nichts sieht. Je mehr Geräusche dazu kommen, je lauter und wuseliger es wird, desto schwieriger ist es, sich zu orientieren.

Am Samstagnachmittag wartete das Highlight des Wochenendes auf uns. Völlig unverhofft und sehr kurzfristig gelang es uns, Musicalkarten zu ergattern. Die Gruppe teilte sich auf – ein Teil besuchte das Musical “Der König der Löwen” und die anderen gingen in “Die Eiskönigin”. Nach drei Stunden trafen sich alle wieder und jedeR Einzelne war begeistert und überwältigt von dem, was er gesehen und gehört hatte. Das Bühnenbild, die Kostüme, die Musik und die Performance der DarstellerInnen – einfach überwältigend und nicht in Worte zu fassen!

Doch uns blieb gar nicht so viel Zeit zum Schwärmen, denn der nächste Termin stand unmittelbar bevor: Unser Besuch im Miniaturwunderland – Die größte Modelleisenbahn der Welt. Wobei, “Modeleisenbahn” beschreibt das, was das “Wunderland” ist, schon lange nicht mehr. Auf 10.000 Quadratmeter Fläche fahren 1.120 Züge durch 10 verschiedene Regionen der Erde. Von der Elbphilharmonie bis zum Zuckerhut in Rio de Janeiro – alles kann man im “Wunderland” bestaunen. Sogar als virtuelle Tour, auf die Größe der Figuren geschrumpft. Eine Erfahrung der Besonderen Art und für zart besaitete Mägen auch nicht unbedingt geeignet. Nach 30 minütiger “Schrumpftour”, ausgestattet mit VR-Brille und allem technischen pipapo, war einigen der Gruppe doch ziemlich flau im Magen. Was nicht so schlimm war, denn ein besonderes Erlebnis war es dennoch!

Nach einem so ereignisreichen Wochenende konnten wir am Sonntag natürlich nicht einfach so die Heimreise antreten. Das wäre ja langweilig gewesen. 😉 Ein kleiner Teil der Gruppe stand ganz Früh auf und besuchte um 05:00 Uhr den Hamburger Fischmarkt. Die Fischbrötchen waren super lecker! Zum gemeinsamen Abschluss des Wochenendes besuchten wir dann noch das “Museum der Illusionen”, wo wir noch ein paar witzige, skurrile Erinnerungsfotos schossen, eh wir um die Mittagszeit wieder in den Zug stiegen und, völlig ohne Hindernisse oder Verspätungen, unsere Heimreise antraten.

Als wir am Sonntagabend gegen 19:00 Uhr in Hennef aus der Bahn stiegen, waren wir alle unfassbar erschöpft, aber wahnsinnig glücklich und dankbar, für dieses unvergessliche Wochenende.

Ermöglicht wurde die Fahrt durch die Bezuschussung aus dem Förderpaket “Aufholen nach Corona”.