Reformation global: Luther zieht

Das Gesicht von Pfarrer Dr. Kai Horstmann ist manchen in Hennef noch bekannt: Um den Jahrtausendwechsel entlastete er den Hennefer Ortspfarrer Joachim Corts. 2000 wechselte Hortsmann dann in die Evangelische Studierendengemeinde Saarbrücken. Seit fünf Jahren arbeitet er in Siegburg als Pfarrer im ‘Gemeindedienst für Mission und Ökumene’. Dort begleitet er sieben Kirchenkreise in Fragen der weltweiten Ökumene. Schwerpunkte seiner Arbeit bilden die Friedensethik, die Missionstheologie und der Kontakt zu Partnerkirchen in Indonesien. Mit ihm sprach Pfarrer Stefan Heinemann.

2017 feiern wir hier in Deutschland 500 Jahre Reformation – eine Entwicklung, die sich im 16. Jahrhundert in Mitteleuropa abspielte. Ist das für unsere Partnerkirchen außerhalb Deutschlands überhaupt von Interesse?
Vielleicht vorab: Unsere Partnerkirche in Tschechien, die Böhmischen Brüder, feiert schon in diesem Jahr das 600jährige Jubiläum ‘ihrer’ Reformation. Sie beziehen sich dabei auf Jan Hus, einen Vordenker Luthers, der 100 Jahre zuvor in Prag wirkte. Also, Reformation ist nichts, was wir in Deutschland für uns in Anspruch nehmen können.
Richtig ist aber: Die Reformation ist bei unseren Partnern in Afrika und Asien als geschichtliches Ereignis kaum Thema. Für das Selbstverständnis dieser Kirchen ist die eigene Missionsgeschichte viel wichtiger. Ich finde das auch nachvollziehbar: Auch wenn unsere Partnerkirchen ihrem historischen Herkommen nach reformatorische Kirchen sind – die Reformation haben sie in ihrer Geschichte selbst nicht erlebt. Deshalb fehlt ihnen vielleicht bisweilen das Bewusstsein, Reformkirche zu sein. Manche Kirchen in Indonesien sind weit traditioneller ausgerichtet als wir es sind.

Wie identitätsstiftend ist denn für unsere Partnerkirchen ihr reformatorisches Erbe?
Für viele Protestanten in Asien und Afrika ist Martin Luther eine große Identitätsfigur. Ein kamerunischer Pfarrer sagte mir einmal: Luther sei Teil seiner Ahnenreihe – und dadurch seien er und ich verwandt. Wenn man weiß, wie wichtig der Ahnenkult in Kamerun ist, muss man das als großes Kompliment für Martin Luther gelten lassen – und für mich!
Auf der indonesischen Insel Sumatra gilt lutherisch auch als Identitätsmerkmal – aber nicht so sehr um Martin Luthers willen, sondern weil der Missionar Nordsumatras, Friedrich Nommensen, Lutheraner war. Er brachte den Einwohnern des Hochlands Sumatras das lutherische Christentum und vermittelte es in ihre Kultur. Seitdem gilt: Ein Batak ist beinahe so selbstverständlich Lutheraner – wie ein Grieche orthodoxer Christ ist. Die Konfessionalität ist Teil der Volksidentität.

Und wie groß ist das Bewusstsein für die theologischen Grundentscheidungen, die durch die Reformatoren im 16. Jahrhundert angestoßen wurden?
Sola scriptura, sola gratia, solus Christus, … – wie Luther formuliert hat? Das wird in unseren Partnerkirchen sehr hoch geschätzt. Mit dem Internationalen Kirchenkonvent, dem Zusammenschluss der Migrationskirchen im Bereich unserer Landeskirche, führen wir gerade in Köln eine Gottesdienstreihe durch. Da stehen finnische Lutheraner neben nigerianischen Charismatikern – und beide machen deutlich, wie die reformatorische Theologie in ihre Kultur eingeflossen ist und wie sie bei ihnen ausgelegt wird. Fasziniert bin ich dabei von der intensiven Auseinandersetzung mit der Bibel, wie sie unsere ökumenischen Geschwister im Alltag leben.

Was planen unsere ökumenischen Partner denn für 2017? Wird es andernorts auch große Festivitäten zum Reformationsjubiläum geben?
Tatsächlich weiß ich von keinen konkreten Festplanungen – weder in Tanzania noch in Indonesien oder Namibia …. Umgekehrt gibt es aber in vielen Partnerkirchenkreisen den Wunsch, 2017 Delegationen nach Deutschland reisen zu lassen, um hier bei uns das Reformationsjubiläum mitzufeiern.
Martin Luther ist und bleibt ein protestantisches Symbol – das zieht Menschen an!