Presbyterium – der Vergleich
Entscheidungsstrukturen hat auch eine katholische Ortsgemeinde: Pfarrgemeinderat (PGR) und Kirchengemeindevorstand (KGV) haben dort ähnliche Funktionen wie das Presbyterium in der evangelischen Kirchengemeinde.
Auf eine Tasse Tee trafen sich Pastoralreferentin Sabine Montag (Katholische Kirche Hennef, Pfarrverband Geistingen-Hennef-Rott) und Pfarrer Stefan Heinemann, um zu vergleichen.
Was sie dabei über die Strukturen des jeweils anderen lernten, schreiben sie hier.
Das Presbyterium aus katholischer Sicht:
Presbyterium. Presbyter. Ja, das habe ich im Theologiestudium schon einmal gehört. Presbyter, von griechisch ‘presbyteroz’ – „Ältester“, also ein Rat der Ältesten? Dass die Strukturen unserer beiden Kirchen unterschiedlich sind, überrascht niemanden. Dass sich die Ämterstrukturen und Gremien unterscheiden, auch nicht.
Ein von Laien geführtes Leitungsamt, das die „Macht“ hat, über Pfarrstellen, Finanzen, Gottesdienstordnung etc. zu entscheiden, klingt in meinen katholischen Ohren interessant, aber undenkbar. Bisher konnte ich mir darunter nicht viel vorstellen. Ich war der Meinung, ein Presbyterium sei mit dem PGR vergleichbar.
Das Presbyterium zeichnet in meinen Augen aus, dass das allgemeine Priestertum aller Gläubigen im Vordergrund steht und somit ein umfassendes Mitspracherecht auch zu Seelsorge und Gottesdienstgestaltung hat.
Seinen Ursprung hat dieses Gremium in der Reformation, als der Gedanke entwickelt wurde, dass die Gemeinde das Recht haben sollte, ihren Pfarrer selbst zu wählen. Die Gemeinde leitet sich also selbst. Kirche wird von unten her gebildet.
Alle vier Jahre werden Gemeindemitglieder gewählt, die bereit sind, dieses Ehrenamt auszuüben – wie auch im katholischen Pfarrgemeinderat. In Gemeinschaft mit den Pfarrerinnen und Pfarrern bestimmen sie über Prioritäten und Aufgaben, entscheiden über Finanzen und Personal und bestimmen über die Gottesdienstordnung ihrer Gemeinde. Anders als in den katholischen Gremien tragen gewählte Vertreter der Gemeinde Verantwortung dafür, wie das evangelische Leben, die Gottesdienste, die Sakramente und der Dienst der Liebe in dieser Gemeinde getan werden.
Presbyterium hat letzte Entscheidungsgewalt
Das Presbyterium hat somit, anders als auf katholischer Seite, das letzte Wort – die Entscheidungsgewalt, die bei uns in der Person des leitenden Pfarrers liegt. Wir Katholiken denken Kirche hierarchisch. Ehrenamt und Gremienarbeit fußen bei uns jedoch ebenfalls auf dem „gemeinsamen Priestertum der Gläubigen“ (Lumen Gentium, 1964): Die Laien sind beratend tätig und an Entscheidungen beteiligt, das letzte Wort hat aber der leitende Pfarrer. Ich persönlich empfinde das als entlastend. Dass gewählte Vertreter der Gemeinde diese auch gestalten und leiten, hat ihren Ursprung in der Urkirche und scheint auf evangelischer Seite zu funktionieren. Das verwundert mich ein Stück weit, denn in allen Entscheidungen soll Einmütigkeit herrschen. Ist das erreichbar?
Das Verständnis der Pfarrerinnen und Pfarrer in diesem Gremium und grundsätzlich als „normale Gemeindemitglieder“ finde ich spannend. Die Verteilung der verschiedenen Aufgaben auf viele Personen erscheint mir zuletzt sinnvoll, da so verschiedene Charismen zum Zug kommen. Jedoch, bei auch auf evangelischer Seite rückläufigen Gläubigenzahlen würde mich interessieren: Hat dieses Modell Zukunft? Oder werden nicht bald die Menschen dafür fehlen?
Sabine Montag
PGR und KGV in den Augen eines Protestanten
PGR und KGV waren für mich bis zu diesem Gespräch Kürzel ohne Sinn. Nun habe ich gelernt: Was in der evangelischen Kirchengemeinde das Presbyterium verhandelt, dafür sind auf katholischer Seite zwei gewählte Gremien zuständig. Der Kirchengemeindevorstand wirkt für die Gesamtgemeinde an Entscheidungen mit, die Finanzen, Bau und Personal betreffen. In einer katholischen Ortsgemeinde mit mehreren Kirchorten kann es auch Kirchenvorstände für einzelne Kirchorte geben. Der Pfarrgemeinderat dagegen wirkt an der Gestaltung des Gemeindelebens und der pastoralen Arbeit mit. Dieses Gremium wurde 1968 im Anschluss an das II. Vatikanische Konzil eingerichtet, um mehr Gemeindeglieder bzw. Laien an der Verantwortung für ihre Kirche zu beteiligen.
Geistliche Gemeinschaft kommt zu kurz
Die Zweiteilung zwischen KGV und PGR finde ich bemerkenswert. Oft wird von Insidern beklagt, dass in unseren Presbyterien die Beratung von theologischen Inhalten und geistlicher Gemeinschaft zu kurz kommen, weil das Alltagsgeschäft drängt: Haushaltspläne, Personalentscheidungen und Anschaffungen machen das Gros der Tagesordnung aus. Im PGR soll nur über die inhaltliche Gemeindearbeit beraten werden. Solchen Gesprächen Raum zu geben, indem man sie in ein eigenes Gremium überweist, scheint mir sinnig.
Auch wie sie im Alltag beraten und entscheiden, darin sind sich katholische und evangelische Gremien oft recht ähnlich. Jedoch, die Rechtstexte der katholischen Kirche definieren das Verhältnis von Laien und Klerus hierarchisch. Die letzte Entscheidung liegt immer beim katholischen Pfarrer. Das ist bei uns Evangelischen anders! Wo PGR und KGV mitwirken, den Pfarrer beraten und ihm gegenüber ein Votum abgeben, da hält die Kirchenordnung unserer Landeskirche fest: Das Presbyterium mit all seinen Mitgliedern verantwortet die Erfüllung des Auftrages der Kirchengemeinde.
Zu seinen Aufgaben zählen die Gesamtkonzeption gemeindlicher Aufgaben, die Wahl der Pfarrer und leitenden Mitarbeiter sowie die komplette Finanzplanung. Pfarrerinnen und Pfarrer sind dort in der Minderheit. Sie diskutieren auf Augenhöhe mit. Wird abgestimmt, zählt ihre Stimme so viel wie die eines gewählten Presbyters, von denen in der Regel vier auf einen Pfarrer kommen.
Machtfülle ausnutzen
Ich stelle mir vor, dass ein katholischer Pfarrer seine Machtfülle in der Praxis selten ausnutzt. Er wird die Mitglieder seiner Gremien in die Entscheidungsfindung einbinden, allein schon um den nötigen Rückhalt dafür in der Gemeinde zu haben. Setzt sich ein katholischer Pfarrer allzu oft über die Voten seiner Gremien hinweg, können diese beim Bischof Einspruch einlegen.
Dennoch, den Pfarrern somit das mögliche letzte Wort in allen Belangen einzuräumen widerspricht protestantischem Denken. Das sieht Pfarrerinnen und Pfarrer als Gemeindeglieder, die zwar mit speziellen Aufgaben betraut sind, aber deshalb keine ,bessere‘ Entscheidungskompetenz haben.
Fotos & Text: Stefan Heinemann