Die Hoffnung verändert alles

Liebe Schwestern und Brüder,
der heutige Sonntag ist ein besonderer. Mitten in der Fastenzeit gilt der Sonntag Lätare als Pause von der Passion. Als liturgischer Farbklecks im Grau der leidvollen Fastenzeit und als vorweg genommenes ‚Klein-Ostern‘.
An diesen Vorausblick auf das, was kommt, knüpft der Predigttext heute an. Im Johannesevangelium spricht Jesus über die Hoffnung, die das tiefste Geheimnis des christlichen Glaubens ist.
Und ich möchte darum heute morgen gar nicht den vielen anderen Assoziationen nachgehen, die dieser Text in Fülle zuließe, sondern gleich zu meinem Kernthema kommen: Wie hältst Du’s mit der ewigen Hoffnung? Mit der Hoffnung darauf, dass nach dem Tod etwas ist?
Denn dann ist alles anders.

Der Bibeltext
Zu seinen Freunden sagt Jesus im sechsten Kapitel des Johannesevangeliums – das ist der Predigttext:
47 Amen, amen, das sage ich euch: Wer glaubt, hat das ewige Leben.
48 Ich bin das Brot des Lebens.
49 Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind trotzdem gestorben.
50 Aber dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt. Wer davon isst, wird nicht sterben.
51 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er in Ewigkeit leben.
Das Brot, das ich geben werde, ist mein Leib. Ich gebe ihn hin, damit diese Welt leben kann.

Wir können nichts sagen und können nicht schweigen!
Das ewige Leben stellt Jesus den Menschen hier in Aussicht.
Seine Zuhörer sind die, die miterlebt haben, wie er noch am Tag zuvor 5.000 Menschen satt gemacht hat – mit fünf Broten und zwei Fischen.
Sie haben davon gehört, sie haben es miterlebt. Sie wollen wissen, was das zu bedeuten hat. Und von Jesus hören sie: Das war ein Zeichen.
Ein Zeichen für das, was er schenkt. Ein Symbol nur für das, was euch noch erwartet. Denn ich bin wie das Brot, sagt Jesus. Ich bringe ewiges Leben.
Darauf hoffen, daran glauben Christen seit zweitausend Jahren: Dass das ewige Leben kommt. Nur Konkretes sagen darüber – das können sie wenig.
Allen landläufigen Vorstellungen von Himmel und Hölle, vom Wiedersehen und ewigem Frieden zum Trotz.

Tatsächlich stellt sich doch die Frage, ob wir ehrlicher Weise überhaupt etwas über das ewige Leben sagen können? Und die ehrliche Antwort muss lauten: Nein.
Und dann stellt sich doch die Frage, ob wir ehrlicher Weise darüber nicht lieber den Mund halten sollten? Und die ehrliche Antwort muss lauten: Nein.
Denn was Menschen über Tod und Auferstehung, über das Jenseits und das ewige Leben denken, das ist Dreh- und Angelpunkt ihrer Perspektive auf das Leben jetzt. Was Du denkst über das, was Dir als letztes Ziel Deines Lebens bevorsteht, bestimmt, wie Du hier und heute lebst.

Wer aus seinem Leben die Realität des eigenen Todes verdrängt und sich nicht damit auseinandersetzt, dass dem eigenen Leben ein Ende gesetzt ist, verfällt allzu schnell in hedonistische Genußsucht, die in höherem Alter in zynischen Nihilismus umschlagen kann. Falls sich einer die Zeit gönnt, darüber mal ernsthaft nachzudenken.
Und die Einsicht, dass alles, aber auch alles endet – … das eigene Leben, aber auch das Leben aller, die sich an mich erinnern werden, … meine Lebensleistung: das, was ich aufgebaut habe; … die menschliche Kultur und Zivilisation; ja, sogar dieses Sonnensystem und die Galaxie und das ganze Universum eines fernen Tages – die Einsicht, dass nach menschlichem Ermessen alles vergeht, was ist, führt nüchtern-rational betrachtet in einen Fatalismus, der sagt: „Am Ende ist alles egal!“.
Nur wenn ich überzeugt bin – wenn ich glaube, dass das, wofür ich lebe, über mein Leben hinaus Bestand hat, hat mein Leben auf Dauer Sinn.
Und deshalb macht es einen Unterschied, ob ich glaube, dass da noch was kommt – wie auch immer es aussieht. Denn ohne das ist alles am Ende. Irgendwann bald.

Drei Sätze, die mir wirklich wichtig sind
Wie wird das sein, das ewige Leben?
Drei Grundüberzeugungen bringe ich mit. Die will ich Ihnen darlegen.
Bevor ich ihnen zum Abschluss die Fabel von den beiden Zwillingen erzählen.

Mein erster Satz über das ewige Leben ist: Wir werden so nicht weiterleben! Nicht so!
Sie erinnern sich an Astro-Alex?! Kurz bevor Alexander Gerst vor vier Monaten die ISS verließ, drehte er einen kurzen Film-Clip, in dem er sich bei seinen Enkeln entschuldigte dafür, wie wir, seine Generation, die Erde behandeln.
Ein halbes Jahr über den Wolken zu leben, hatte Gerst ein schlechtes Gewissen gemacht. Es hatte seine Sicht auf die Dinge buchstäblich verändert.
Sozialforscher haben festgestellt, dass dieser Perspektivwechsel sich bei einer großen Mehrheit von Astronauten einstellte, die sich länger im Weltraum aufhalten.
Dieser Blick von oben, dass der blaue Planet so klein und die Menschen so verletzlich sind im großen schwarzen All – das hat sie tief innen drin verändert.
Und dass nur, weil sie mal 400 km über den Wolken unterwegs waren? Im Vergleich dazu, wie würde es uns erst verändern, wenn wir Gott selbst begegnen würde – dem Heiligen, der Quelle des Lebens? Dem, der dieser Welt ihren Sinn verlieh? Von Angesicht zu Angesicht. Wir wären andere. Für immer.
Diese Begegnung würde unseren Geist, unsere Identität, unsere Seele völlig umkrempeln.

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Aber wir müssten dann schon andere sein. Ohne unsere Körper, die wir jetzt hätten.
Denn das ist klar – diesen Körper könnten Sie nicht noch mal haben. Schauen Sie ihn sich noch mal gut an, Sie müssten ihn mit mindestens fünf anderen Lebewesen teilen. Sie lachen? Keineswegs.
Ihr Körper ist aufgebaut aus Milliarden Kohlenstoff-Atomen. Die gibt es auf der Erde nur in begrenzter Zahl.
Forscher haben berechnet, dass jedes Kohlenstoff-Atom, das es auf der Erde gibt, in den Milliarden Jahren, seitdem es Leben auf unserer Erde gibt, im Durchschnitt bereits in fünf Körpern verbaut gewesen sein muss.
Ihre Kohlenstoffatomen also in einem Tyrannosaurus Rex, einem Lungenfisch, einer Amöbe, …
Wenn Sie also an ein ewiges Leben glauben, glauben Sie nicht, dass Sie genau diesen Körper wiederkriegen. Das ist leider unmöglich!
Aber ohne Körper geht es auch nicht. Denn wir Menschen sind psychosomatische Entitäten – Gestalten aus Leib und Geist.
Wer uns auferwecken will, wird uns andere Körper geben müssen. Wie? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß: Wir werden so nicht weiterleben! Nicht so!

Klar ist mir aber auch – zum zweiten: Wir werden nicht noch einmal so leben wie bisher!
Denn der Glaube an ein zweites, drittes, viertes Leben – der Glaube an die immer wiederkehrende Wiedergeburt, das ist nicht die Erlösung, wie Jesus Christus sie verspricht. Das ist ein häufiges Missverständnis von Menschen, die einen Glaubensschnitzel aus fernöstlichen Religionen übernehmen, ohne auf das große Ganze zu schauen.
In Hinduismus und Buddhismus, die dieses Modell der Wiedergeburt jahrtausendelang meditiert und durchdacht haben, ist die ständige Wiedergeburt eine Qual. Schlimmer noch, es ist die ewige unbarmherzige Leistungsgesellschaft. Denn so wie ich gelebt habe, so werde ich wiedergeboren: Als Hund, als Wurm, als heilige Kuh, …
Das ist das Karma – und die Erlösung findet ein Buddhist nur im Nirvana, dass das meditative Abschneiden von jeder Emotion ist – auch von den ‚guten‘ Emotionen wie Liebe und Hoffnung und Lebensfreude. Nur wer sich davon abschneidet, wird erlöst – predigt Buddha.

Jesus von Nazareth hat den totalen Gegenentwurf gepredigt: Gott liebt diese Welt. Darum gibt es sie überhaupt.
Sie ist von seiner Liebe durchdrungen. Und da, wo er sie mit uns hinbringen will, davon träumt er. Dahin treibt er sie mit all seiner Überzeugungskraft und Liebe.
Und deshalb ist der Glaube an die Zukunft, die Gott bringt, nicht irgendetwas am Christentum, sondern es ist schlechterdings das Moment des christlichen Glaubens. Die Zukunft, die Gott bringt, ist das Thema der Christen.

Ja, sie hat schon begonnen, als Jesus unter den Menschen war. In kleinen Teilen hier und da können wir schon Schimmer erkennen. Aber Gottes Reich wird nicht voll und ganz Wirklichkeit werden in unserer irdischen Realität. Dafür ist sie zu klein. Das ist wie mit den Seelen und den Körpern – das passt nicht! Das muss ganz anders werden!
Aber eine schlichte Wiederholung von irdischen Leben bringt uns diesem Ziel nicht näher. Deshalb: Wir werden nicht noch einmal so leben wie bisher!

Und wenn ich das, was ich bisher gesagt habe für einen Moment als wahr annehmen kann – und sei es nur hypothetisch – dann ist mein dritter Satz nur folgerichtig: Diese Hoffnung, dass durch Gott sich alles verändern wird -verändert alles.
Denn dann werden meine Lebenserfahrungen aufgehoben sein. Meine Liebe, die ich gelebt habe, ist nicht vergessen, sondern wird fortgeführt in Gottes Liebe, die unendlich ist. Auch am Ende – bin ich noch nicht am Ende angekommen!
Sondern mit Gott im Rücken lache ich dem Tod ins Gesicht.
Denn: Diese Hoffnung, dass durch Gott sich alles verändern wird, verändert alles.
Deshalb macht es einen Unterschied, ob ich glaube, dass da noch was kommt – wie auch immer es aussieht.
Denn Genaues weiß keiner von uns. Und doch dürfen wir nicht darüber schweigen. Weil es alles in ein anderes Licht stellt.

Fabel der beiden Zwillinge
Das ist wie bei den beiden Zwillingen. Diese Fabel will ich Ihnen zum Abschluss erzählen.
Jesus hat einmal gesagt – auch im Johannesevangelium – der Tod sei wie eine Geburt. Stellen Sie sich das mal vor!

Zwei Zwillinge lagen im Bauch der Mutter und unterhielten sich. Sie hatten es warm und gemütlich, sie fühlten sich geborgen, und sie hatten nie Hunger.
„Wir haben es wirklich gut“, sagten sie sich oft.
Aber im Lauf der Zeit merkten sie, dass ihre Körper sich veränderten.
„Was bedeutet das?“, fragte der eine Zwilling.
„Ich weiß nicht“, antwortete der andere. „Vielleicht bedeutet es, dass wir hier drin nicht mehr lange bleiben können. Vielleicht nähern wir uns dem Ende – der Geburt.“
„Ist das das Ende?“ zweifelte der eine Zwilling. „Vielleicht gibt es etwas danach? Etwas, das ganz anders ist?“
„Das ist doch Blödsinn!“, reagierte der zweite. „Niemals ist irgendjemand zurückgekommen und hat von einem Leben nach der Geburt berichtet. Danach ist einfach Schluss. Wie sollten wir denn auch überleben ohne die Nabelschnur, die uns ernährt?“
„Ich gebe zu, wir wissen nicht, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird“, verteidigte sich der erste. „Aber ich träume davon, dass wir dann unsere Mutter sehen werden – und sie wird für uns sorgen.“
„Mutter? Du glaubst doch nicht an eine Mutter! Sag mir, wo ist sie denn?“
„Na, hier – überall um uns herum. Wir leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!”
„Quatsch, von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt. Ich glaube nur an das, was ich sehe.”
„Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt…”
Schließlich kam der Tag der Geburt. Als die Zwillinge zum ersten Mal das Licht sahen, konnten sie nicht anders als weinen.
Die Welt draußen war so viel größer und schöner, als sie es sich hatten vorstellen können!

Jesus hat mal gesagt, der Tod sei wie eine Geburt.
Stellen Sie sich das mal vor!
Sicher, wir können uns nicht sicher sein, dass es so ist.
Aber wenn es so ist, dann verändert das alles!
Deshalb: Was glauben Sie denn?
Und seien Sie sicher, es macht einen Unterschied.
Und sei es nur für Sie! Amen.

Diese Predigt hielt Pfarrer Dr. Stefan Heinemann am Sonntag Lätare, 31. März 2019, in der Ev. Christuskirche zu Hennef.