Wie kam es zum Weihnachtslied des Reformators?

Zum Weihnachtsfest  im Jubiläumsjahr der Reformation  stand am zweiten Weihnachtstag das Lutherlied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ im Mittepunkt unseres Gottesdienstes. Die durchaus umfangreiche Predigt von Pfr. Herzner wurde durch den Gesang einer Solistin und den Bläserchor tatkräftig unterstützt.

Liebe Gemeinde,

zu einer der wichtigsten Weihnachtserinnerungen in meiner Kinder und Jugendzeit gehört das viele blasen mit dem Posaunenchor. Im Advent spielten wir auf den Straßen der Gemeinde, an Heilig Abend wirkten wir hintereinander weg in den zwei Christvespern unserer beiden Gemeindebezirke mit und am ersten Feiertag saßen wir schon wieder ganz früh in der Kirche – das einzige Mal im Jahr, dass wir nicht oben auf der Empore saßen, sondern unten, im Altarraum.
Und dann war es noch gut 1 ½ Stunden hin bis zum Gottesdienst – trotzdem wurde die Kirche voller und voller. Und wir bliesen und die Gemeinde sang ein Weihnachtslied nach dem anderen. – So viele, dass wir Bläser nach einem festen Plan immer mal ein Lied Pause machen mussten um die Lippen zu schonen.

Zu keiner Zeit wird in Gottesdiensten so viel gesungen – richtig aktiv gesungen – wie in der Advents- und Weihnachtszeit.
Deshalb auch heute so viel Gesang – und zu meinem Glück auch der mit unseren Bläsern!
Das macht diesen Morgen auch zu so einem guten Augenblick um auf diesen reformatorischen Schatz der Gemeindelieder zu schauen.

Vor der Reformation war die Gemeinde – ich verwende mal diese harte Formulierung – in den Gottesdiensten zum Zuschauen verdammt.
Luther beschwert sich in einer Schrift, dass nur der Chor der Pfaffen und Schüler sänge – Schüler waren die Chorknaben der Klöster – nicht zu verwechseln mit unseren Konfis…

Der Gemeindegesang im Gottesdienst sollte helfen, uns Gläubige wieder ganz in den Gottesdienst mit hinein zu nehmen. Was das für eine befreiende Kraft gewesen sein muss kann man vielleicht auch daran erkennen, dass es heute nicht nur die reformatorischen Gemeinden sind, in denen gesungen wird… Luther und Co haben viel mehr bewegt, als wir nur in den reformatorischen Kirchen erkennen könnten!

So also heute ganz viel Gemeindegesang und in der Mitte ein besonderes Weihnachtslied: „Luthers Weihnachtslied“
Viele wissen gar nicht, dass es von ihm ist. Im katholischen Gotteslob steht der Verfasser erst seit der Ökumenischen Öffnung nach dem 2. Vatikanum an den Noten – gesungen wurde es schon „immer“.

Für das Verständnis eines Liedes ist es aber häufig wichtig, zu wissen, von wem das Lied stammt
und wann es getextet und komponiert wurde.

Lieder sind immer auch ein Spiegel des Augenblicks in dem sie entstanden sind.

Wenn zum Beispiel Friedrich von Bodelschwingh 1938 textete: Nun gehören unsere Herzen ganz dem Mann von Golgatha,
so war dies nicht nur ein tiefen Bekenntnis zu Christus, sondern eben auch ein Protest gegen den universalen Anspruch der Nazis auf die Herzen der Deutschen.
Oder wenn Paul Gerhardt schrieb:

Wach auf, mein Herz und singe
Dem Schöpfer aller Dinge,
dem Geber aller Güter,
dem frommen Menschenhüter,,

dann kann man erahnen, wie er die Menschen am Ende des schrecklichen 30jährigen Krieges trösten wollte – und mit ihnen vor Gott wieder Freude finden.

Ich bitte Sie darum, „Luthers Weihnachtslied aufzuschlagen, die Nummer 24: Vom Himmel hoch da komm ich her.
Wir singen es natürlich gleich auch noch – aber dazu erst noch etwas Geduld.

Zuerst schlagen wir eine Seite um und ganz am Ende von Lied 24 finden wir: Text: Martin Luther 1535.
Melodie – auch Martin Luther

Es ist also komplett von Martin Luther . (War heute keine Überraschung, ich weiß.)
Dass der Reformator den Gesang und die Musik liebte, hat er immer wieder kundgetan.

Wer nicht liebt Wein, Weib, Gesang,
der bleibt ein Narr sein Leben lang.

Luther liebte die Musik.
Für einen Studenten des ausgehenden Mittelalters war es selbstverständlich, dass er die Laute spielen und komponieren konnte. Das gehörte zur Allgemeinbildung. [So viel zum Thema: „Finstres Mittelalter“.]

Nach der Theologie gab Luther der Musik den zweiten Rang vor allen anderen Wissenschaften. Sie war ihm eine gute Schöpfung Gottes, der allein die Menschen mit der Fähigkeit zu sprechen und zu singen ausgezeichnet hat. Luther reflektierte die Musik seiner Zeit, aber er hörte sie nicht nur, sondern komponierte selbst vierstimmige Sätze.

Sein Haus war eine Stätte des Musizierens und des Singens.

Das machte ihn sensibel für den Klang der Gottesdienste.
Und er nahm Anstoß daran, dass sich die Gemeinde außer bei etlichen lateinischen Responsorien im Messgottesdienst still verhielt, während die Kleriker den Kirchengesang für sich reserviert hatten.

Er wollte, dass die Gemeinde im Singen ihre Lebendigkeit bezeugen konnte und somit an der Gestaltung des Gottesdienstes teilhaben sollte.
Lebendige Gottesdienste – einer der wichtigsten Gedanken der Reformation – und auch heute noch ein Ziel.

Der Gesang, sagte er, komme aus einem fröhlichen Herzen und sei deshalb besonders geeignet, die frohe Botschaft zu verkünden.

Als Träger des Evangeliums tritt der Gesang so in der Reformation neben die Predigt.
Die Predigt spricht den Intellekt an, der Gesang den Affekt.
Damit diese  Verbindung von Gefühl und Verstand Wirkung entfalten konnte war ihm klar, dass die Texte auf Deutsch zu singen waren.

Aus seiner Werkstatt steuerte er 37 Lieder für unser Gesangbuch bei.

Soweit zum Autor und Komponisten.

Und was steht da nochmal zum Entstehungsdatum? 1535

1535 also sitzen die Eheleute Luther, die nun zehn Jahre verheiratet sind, in der Wohnung des „Schwarzen Klosters“ in Wittenberg.
Es ist – so sagt es die Legende – der Vorabend des Weihnachtsfestes.

Das Wohnzimmer in dem dieses Lied entstanden sein soll ist übrigens bis heute erhalten – jedenfalls die Eckbank, der Tisch, der Ofen und die Holzverschalung des Raumes an den Wänden und der Decke. In der Fensternische befand sich der Sitzplatz für Frau Käthe, wo sie die notwendigen Näh- und Flickarbeiten verrichtete.
Am Tisch – wo auch viele seiner Schriften entstanden – dichtete Luther ein Weihnachtlied für seine Kinder, um damit am Morgen des Christfestes  – am Heiligen Abend wurde damals noch nicht gefeiert – die Familie zu überraschen.

Seit sechs Tagen war das jüngste seiner fünf Kinder auf der.

Frau Käthe war wohl zum ersten Mal am Tag vor dem 1. Weihnachtstag aufgestanden, um wieder mit der Familie zusammen zu sein.

Am nächsten Morgen, dem ersten Christtag, predigte Luther in der Stadtkirche – vorher aber wurden in aller Frühe die Kinder beschert mit Äpfeln, Nüssen und kleinen Leckereien.
Das war dann der Augenblick, in dem Luther sein Kinderlied zur Laute anstimmte. (Das war wahrlich noch ein Weihnachtsgeschenk.)

In seiner Weihnachtspredigt, die Luther am 1. Christtag 1535 in der Wittenberger Stadtkirche hielt, sagte er unter anderem:

„Ich kenne keinen süßeren Trost, der dem Menschen gegeben wäre, als dass Christus ein Mensch, ein Kind, ein Säugling wurde, der im Schoß der lieblichsten Mutter spielt und an ihrer Brust liegt. Wen gibt es, den dieser Anblick nicht ergriffe und tröstete? Nun ist die Macht der Sünde, der Hölle, des Gewissens und der Schuld überwunden, wenn du zu diesem spielenden Kinde kommst und glaubst, dass es gekommen ist, nicht zu richten, sondern zu retten“.

Soweit also zum Entstehungsmoment.

Martin Luther, der gelehrte Reformator mit seiner Liebe zur Musik und der Überzeugung, dass die Musik das Evangelium trägt hat das Lied mitten im jungen Vaterglück am Abend vor Weihnachten für seine Kinder als Geschenk geschrieben – selber ergriffen vom Weihnachtsglück dieser noch mal ganz anders besonderen Geburt.

Das finden wir alles in der schlichten Angabe, von wem und von wann das Lied stammt.

Aber Moment.
Auf diese Angabe müssen wir noch einmal ganz genau schauen.
Text und Melodie scheinen gar nicht zusammen zu gehören.
Zwar ist beides mit dem Namen Martin Luther versehen, aber beim Text steht 1535 – und bei der Melodie 1539.

Das kann man jetzt geflissentlich übersehen… oder genau darin eine Spur entdecken, wie es zu diesem weltbekannten Lied gekommen ist.

Ich gehe dieser Spur gerne einmal nach und frage:
Wie kommt so ein Lied zu seinem Klang?
Woher hatte Luther seine Ideen für den Text – und die Melodie?

Dazu weiten wir den Erinnerungsrahmen über die gute Stube der Luthers hinaus und gehen gedanklich mitten auf den Marktplatz von Wittenberg.
Damals, zu Luthers Zeit.

Der Wittenberger Marktplatz, an dem das Rathaus im Renaissancestil steht – schräg gegenüber die Apotheke von Lucas Cranach,
auf der Ostseite durch die Stadtkirche mit ihren zwei wuchtigen Türmen begrenzt -, war der Treffpunkt der Wittenberger.

Die Stadt hatte damals 6000 Einwohner, ein Schloss, eine 1502 gegründete Universität, deren Hörsäle auf die ganze Stadt verteilt waren, zum Beispiel auch ein Saal in Luthers Schwarzem Kloster.
Die Schlosskirche diente als Aula; darum war auch der Thesenanschlag an der Pforte der Schlosskirche.
Regelmäßig zogen Märkte durchs Land.
Händler boten ihre Waren an, Gaukler führten Kunststücke auf.
Und was auch dazu gehört: Die Straßensänger zogen von Stadt zu Stadt und verkündeten im Stil der Moritatensänger die neuesten Nachrichten aus aller Welt.

A singend, alte Melodie, (hier zu finden)

Ich kumm aus fremden Landen her
Und bring euch viel der neuen Mär,
der neuen Mär bring ich so viel,
mer dann ich euch hie sagen will.

Schau an  – da ist so eine Straßensängerin. Sag: Wo hast Du Deine Neuigkeiten her?

A:
Nun ich komme aus Augsburg, wo es mehrere Handelshäuser gibt, zum Beispiel von den Fuggern und den Welsern, die betreiben Handel mit dem Orient, wo sie vor Allem Gewürze und Tuche erwerben.
Und neuerdings fahren Koggen in ein neu entdecktes Land, woher sie Schiffsladungen voll Gold mitbringen. Und von diesen Kaufleuten in Spanien und Portugal hört man so Allerlei.

Schön, dass Du uns hier auf dem Markt diese Neuigkeiten mitteilst. Und dann noch mit so einer einprägsamen Melodie.

A:
Hab dank für dies Kompliment.
Doch muss ich eins gestehen. So treu und wahr meine Botschaften sind. Die feine Melodei – sie ist geborgt.
man hörte sie schon von Herman Vulpius aus Nürnberg…

(singt:)
Nu kumb herzu du junge Schar
Und was ich singe, das nembt war.
Mit Freuden wöllen wir singen,
das fröhlich tut erklingen.

So so. Von Herman Vulpius stammt die Melodie. Sein Text ist auch nicht schlecht.

A:
Ja, doch jeder zweite Kündiger trägt sie auf den Lippen.

Hmmm… Eine eingängige Melodie, mit der sich wichtige Nachrichten weiter tragen ließen… „Mit Freuden wöllen wir singen, das fröhlich tut erklingen.“

Genau das war doch Martin Luthers Anliegen:
Mehr als einmal hatte er betont: „der Gesang komme aus einem fröhlichen Herzen und sei deshalb besonders geeignet, die frohe Botschaft zu verkünden.
Als Träger des Evangeliums tritt der Gesang neben die Predigt.“

Die Menschen zum Singen zu bringen – ihnen einen Ohrwurm in den Kopf setzen, mit dem sie die frohe Botschaft weiter tragen…
Wie das Lied vom Augsburger Nachrichtensänger.

Genau so ein Lied wollte Martin Luther für seine Kinder schreiben.
Was liegt näher als eine bekannte Melodie zu nehmen und wiederum einen neuen Text dazu zu schreiben? „Kontrafaktur“ nennt man so was – heute würde man „covern“ sagen.

Also nahm er sich das himmlische Evangelium  und kleidete es in das Gewand der Straßensänger – deren Melodien seine und alle Kinder der Stadt ja kennen und auf deren Neuigkeiten sie begierig warten.

Dann ist es so, wie sie es vom Markt kennen:
Ein Botensänger kommt.
Er stimmt sein Lied an und verkündet die wichtigste Nachricht des Tages:
Die Geburtsgeschichte Jesu.

Und schon hat er einen Anfang für das Lied.

In der ersten Strophe tauschte er nur einzelne Wörter aus – schon war der Anfang gemacht.
Denn auch in der Weihnachtsgeschichte kommt ein Bote vor.
Ein himmlischer Nachrichtensänger, ein Engel.
Und auch dort war der Himmel voller Gesang!

So entstand am Vorabend der Weihnacht 1535 am Küchentisch der Luthers eines der ganz, ganz großen Lieder – die christliche Coverversion eines Gassenhauers.

Eine vertraute Melodie von der Strasse, eine Botschaft vom Himmel – ein Lied, dass ins Ohr geht und sich weiterträgt…
so verbreitet sich diese Botschaft, diese „Mär“ vom ersten Ton mit leichter Freude. und man kann eigentlich gar nicht mehr aufhören zu singen und sagen, was da geschehen ist.
Wir hören einmal wie das dann am Weihnachtsmorgen 1535 klang:

A (alte Melodie):

Vom Himmel hoch da komm ich her;
Ich bring euch gute, neue Mär;
der guten Mär bring ich so viel,
davon ich singn und sagen will.

Da ist es also – „Luthers Weihnachtslied“.

Aber ich sehe trotzdem, noch nicht dieses „Ja, DAS ist unser Weihnachtslied von Luther“-Lächeln auf den Gesichtern.

Dennoch ist es wahr: So klang das Lied in seinen ersten vier Jahren.

Nur dummerweise war die Melodie auch andernorts erfolgreich.
Kontrafaktur – Covern mit neuem Text konnten auch andere.
Und sie taten das auch.
In feuchtfröhlicher Runde, und mit unanständigen Gedanken…

Während sich Luthers Lied in Windeseile von Gemeinde zu Gemeinde gesungen hat und schon nach wenigen Jahren nicht mehr weg zu denken war – sang sich die weniger anmutige Fassung von Wirtshaus zu Wirtshaus.

Eine musikalische Nachbarschaft, die Martin Luther wohl nicht sehr erbaulich fand.
Also handelte er pragmatisch.
Hatte er doch 1535 einen neuen Text zur vertrauten Melodie schreiben können,
so komponierte er 1539 kurzerhand zum jetzt vertrauten Text eine neue Melodie.

Und endlich ist es Zeit, sie gemeinsam zu singen. Die Strophen 1 und zwei.

Bläser und Gemeinde (nach Eg 24):

1. Vom Himmel hoch da komm ich her;
Ich bring euch gute, neue Mär;
der guten Mär bring ich so viel,
davon ich singn und sagen will.

2. Euch ist ein Kindlein heut geborn,
von einer Jungfrau auserkorn,
ein Kindelein so zart und fein,
das soll eu`r Freud und Wonne sein.

So ist dieses wunderbare Lied in der heute weltberühmten Fassung bei uns angekommen.
Die neue Melodie, so sagen viele, ist auch in der Notenführung viel weihnachtlicher…

Im Kern ist es aber das Spielmannslied geblieben.
Eine gesungene Verkündigung der wichtigsten Nachrichten der Botschaft:

Euch ist ein Kind geboren!

Wir hatten gestern einen Säugling bei uns zu Gast. So ein Würmlein muss ja nur auf dem Teppich liegen und verändert die ganze Atmosphäre!

Euch ist ein Kind geboren!

Wie groß muss dieser Gedanke im Blick auf Jesus schon für Luthers Kinder geklungen haben, die gerade eben zum ersten Mal ihre kleine Schwester bestaunt hatten.

Euch ist ein Kind geboren!
Mit dieser Botschaft fängt alles an, was jetzt zählt.

Darum geht es.
Die Strophen singen und hören sich – wenn man sie nicht einfach „nur“ im Schwange des Weihnachtsgefühls dahin singt – wie die Schlagzeilen im Newsticker. Ein gesungener live-Ticker zum nachlesen.

Manche dieser Nachrichten  klingen evangelische Ohren heute auch überraschend.
Die zweite Zeile der zweiten Strophe bringt zum Beispiel immer wieder Menschen ins Stolpern – nicht nur Konfis wundern sich darüber, wie stark hier die Jungfrauengeburt klingt.
Bis dahin, dass mir mal jemand sagte: Ach, das ist von Luther? Hört sich mit der Jungfrau aber ganz schön katholisch an…

Liebe Protestanten, schüttet das Kind nicht mit dem Bade aus.
Erstens sah sich Luther nicht als „unkatholisch“ an und war durchaus ein Verehrer der Gottesmutter;
Und zweitens: Wieso haben wir keinen Grund zu staunen, was mit Maria geschehen ist?

Oder ist diese Neuigkeit vielleicht noch weniger römisch-katholisch als selbst Luther es ahnte.
Stolpern wir über die Jungfreuengeburt auch einfach deshalb, weil wir Männer bis heute ein Problem damit haben, dass wir hier nicht gefragt waren?
Diese große Nachricht lässt sich auch so lesen:
Da kommt etwas ganz Neues in die Welt, das nicht männlicher Macht entspringt.
Das Neue kommt ohne Zutun männlicher Potenz zur Welt – der einzigen damals gültigen Machtnorm. Eben nicht durch die Mächte dieser Welt, sondern durch die Kraft des Geistes geschieht das unfassbare.
Und „der“ Geist ist in der hebräischen Bibel feminin, eine „Die“ (Neschamah oder Ruach).
Sie reformiert und macht neu. Ganz neu.

Euch ist ein Kind geboren!
Ein Kind wie Millionen andere Kinder auch, klein, hilflos, wehrlos.
Aber eben ein Kind, wie es vorher kein anderes gab.
Ein Grund zu Freude und Jubel.

Denn lasst euch sagen: Dieses Kind ist nicht irgendwer!
Alles ist zum Staunen wunderbar anders!

Wir singen die Strophe 3

3. Es ist der Herr Christ, unser Gott,
der will euch führn aus aller Not,
er will eu`r Heiland selber sein,
von allen Sünden machen rein.

Nicht, dass dort ein friedliches Kind geboren wurde ist die Nachricht.
Keine Boulevardmeldung der romantischen Art.
Es ist die Unfassbarkeit, dass dieses Kind, Jesus Christus, Gott selbst ist!
Lasst Euch sagen:
Gott höchst selbst ist Mensch geworden – und zwar mit einem Plan.
Mit einem Heilsplan.

Ab sofort soll sich nicht Angst, sondern Seligkeit in Euch breit machen, wenn ihr an Gott denkt.
Tiefste, zufriedene Freude.
Vertrauen für die Ewigkeit.

Und so, wie eben in der Jungfräulichkeit schon der Umsturz von allen gewohnten Mechanismen der Macht deutlich wurde,
so wird in der Geburt Jesu noch einmal deutlich gemacht, dass Gottes Herrschaft andere Insignien hat als die Welt sie kennt.
Nicht Zepter und Krone,
sondern Krippe und Windeln sind seine Zeichen.
Weltliche Macht zerstört.
der Heiland nährt und umsorgt, erhält und trägt.

Wir singen die Strophen 4-7

4. Er bringt euch alle Seligkeit,
die Gott, der Vater, hat bereit,
dass ihr mit uns im Himmelreich
sollt leben nun und ewiglich.

5. So merket nun das Zeichen recht:
Die Krippe, Windelein so schlecht,
da findet ihr das Kind gelegt,
das alle Welt erhält und trägt.

6. Des lasst uns alle fröhlich sein
und mit den Hirten geh`n hinein,
zu seh`n, was Gott uns hat beschert,
mit seinem lieben Sohn verehrt.

7. Merk auf, mein Herz, und sieh dorthin;
Was liegt doch in dem Krippelein?
Wes ist das schöne Kindelein?
Es ist das liebe Jesulein.

Was liegt doch in dem Krippelein?
Wes ist das schöne Kindelein?

Wer ist das?
Wer ist dieses Kind, von dem hier so wunderbar erzählt wird?!

Man hört förmlich den flüchtigen Zuhörer vom Markt, der in der sechsten Reihe steht, über Kartoffeln feilscht und nur die Hälfte mitbekommt – dann aber doch staunt über das, was er hört und wissen will um wen es da geht.
Wes ist das schöne Kindelein?
Und alle rufen zurück:
Es ist das liebe Kindelein.

Man kann sich auch gut vorstellen, Luther auch Spaß daran hatte das neue Lied mit Kind und Kegel in verteilten Rollen zu singen. – Es war ein Weihnachtsgeschenk für seine Kinder!

Stellt Euch in der nächsten Strophe vor, ihr kniet unter dem Tannenbaum, einen  Hirten spielend vor der Krippe und singt dem Christkind zu.
Die Strophe 8:

8. Sei uns willkommen, edler Gast!
Den Sünder nicht verschmähet hast
Und kommst ins Elend her zu mir:
Wie soll ich immer danken Dir?

Wie soll ich immer danken Dir?
Unser Dank – dass bestimmt die nächsten Strophen, kann nur die Anbetung sein.
Anbetung als innigste Anerkennung dessen, was Gott getan hat.
Anbetung als Herzensgeschenen – verstanden als „Einbettung“ in unser Herz.

In den folgenden Zeilen ringt Luther um den scheinbaren Spagat, zwischen Gottes Herrlichkeit und der Geburt im Stall. Zwischen Gott und unserem Leben.

Die Hörer der Weihnachtsbotschaft spüren intuitiv, dass in Wahrheit für die Geburt des Gottessohnes, des Heilands die gesamte Welt zu klein und aller Schmuck und Glanz zu blass wäre.
Nein, die Welt – wir – könnten niemals groß genug sein um aus uns der angemessene Ort für Gott zu sein.
Doch Gott wählt sich die karge Krippe – und macht damit die Krippe zum größten und herrlichsten Ort.
und ja – es scheint Gott zu gefallen, wie
aller Welt Macht, Ehr und Gut
vor ihm nichts gilt, nichts hilft noch tun

Sondern eben das ganz andere der Ort und Raum für seine Gegenwart ist.
Er bettet sich ein im kargen und groben Heu der Krippe.

Wenn wir nun zulassen, dass er sich auf gleiche Weise in unserem – aus sich selbst viel zu kargen und kleinen Herzen –einbettet,
wenn auch wir aus der Freude über ihn den weltlichen Mächten und Eitelkeiten ihre Schranken weisen,
dann ist die Weihnacht in uns selbst angekommen.

Dann hat uns die Botschaft erreicht.

Wir singen die Strophen 9-13

9. Ach Herr, du Schöpfer aller Ding,
wie bist du worden so gering,
daß du da liegst auf dürrem Gras,
davon ein Rind und Esel aß!

10. Und wär die Welt vielmal so weit,
von Edelstein und Gold bereit,
so wär sie doch dir viel zu klein,
zu sein ein enges Wiegelein.

11. Der Sammet und die Seiden dein,
das ist grob Heu und Windelein,
darauf du König groß und reich
herprangst, als wär’s dein Himmelreich.

12. Das hat also gefallen dir,
die Wahrheit anzuzeigen mir,
wie aller Welt Macht, Ehr und Gut,
vor Dir nichts gilt, nichts hilft und tut.

13. Ach mein herzliebes Jesulein,
mach dir ein rein sanft Bettelein,
zu ruhen in meins Herzens Schrein,
daß ich nimmer vergesse dein.…

Hört diese Botschaft – und vergesst sie niemals, lässt uns Luther singen.
Tragt sie fröhlich, lebendigt, musikalisch klingend in die Welt.
Springt sogar und spürt die Freiheit.

Begreift die Nachricht, dass Gott Mensch geworden ist
und gebt ihr den Klang Eurer Freude.
Amen.

Wir schließen mit den Versen 14 und 15:

14. Davon ich allzeit fröhlich sei,
zu springen, singen immer frei
das rechte Susaninne schön,
mit Herzenslust den süßen Ton.

15. Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron,
der uns schenkt seinen ein`gen Sohn.
Des freuet sich der Engel Schar
und singet uns solch neues Jahr.

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Diese Predigt, gehalten am 26.12.2016 in der Christuskirche Hennef, basiert auf einem Gottesdienst Entwurf von Pfr. iR Horst Ritter (Sankt Augustin). Pfarrer Herzner durfte diese Grundlage dankenswerterweise aufgreifen und für unseren Gottesdienst anpassen.  Den Sologesang steuerte Tanja Herrenberger (Essen/ Dalhausen) bei. Der Gemeindegesang wurde vom Bläserchor und Leitung von Martin Salzmann begleitet.