“Unser Finanzierung ist richtig vernünftig!”

Reinhard Bartha kennt den Kirchenkreis ‘An Sieg und Rhein’ wie seine Westentasche. Seit 1981 ist er Pfarrer in Lohmar-Wahlscheid, seit 2011 leitender Geistlicher des Kirchenkreises. Aufgewachsen ist Reinhard Bartha in einer antikirchlichen Arbeiterfamilie in Berlin-Neukölln. Als Superintendent endet seine Amtszeit nun – Mitte November 2016 hat die Kreissynode über Barthas Nachfolge entschieden.
Über das Verhältnis von Geld und Kirche sprach Stefan Heinemann mit dem scheidenden Superintendenten.

Herr Bartha, die Gemeinden des Kirchenkreises ‘An Sieg und Rhein’ nehmen 2016 viel Geld ein: 37,8 Millionen Euro. Machen solche Summen Kirche nicht unglaubwürdig?
Das kann man so nicht sagen, denn es hängt doch davon ab, was Sie mit diesem Geld anfangen: Ob Sie das Geld horten oder es sinnvoll verwenden. Aber das versichere ich Ihnen: In unseren Kirchengemeinden wird damit gute Arbeit geleistet.

Wofür wird dieses Geld im Kirchenkreis denn verwandt?
Aktuell 17% werden an den Kirchenkreis weitergereicht, der damit etwa die sozialen und Beratungsangebote des Diakonischen Werkes kofinanziert.
83% verbleiben direkt bei den 33 Kirchengemeinden. Wofür verwenden die ihr Geld? Das ist unterschiedlich. Nicht wenige Kirchengemeinden haben eine starke Sozialarbeit – etwa Bad Honnef oder Seelscheid. In Wahlscheid, wo ich Pfarrer bin, haben wir die Trägerschaft für zwei Kindergärten und zwei Altenheime übernommen, die jedes Jahr 10 Mill. Euro refinanzierte Personalkosten verursachen. Dabei nehmen wir nur 400.000 € an Kirchensteuern ein.
Daran sehen Sie: Die Kirchensteuer versetzt uns in die Lage, Angebote zu machen, die unsere Gesellschaft will und braucht. Aber in Kirchengemeinden wird diese Arbeit besonders effektiv geleistet, weil viele Ehrenamtliche ihre Manpower beisteuern. Es gibt Schätzungen, nach denen die ehrenamtliche Arbeit, die unter dem Dach der großen Kirchen bundesweit geleistet wird, 11 Milliarden Euro wert ist. Wenn Sie so wollen, ist die Kirchensteuer dafür die Anschubfinanzierung.

Insbesondere im Bereich der Kindergärten zahlen die Kirchen viel Geld zu. Ist das fair?
Das sind hohe Kosten, die wir da übernehmen – denn es handelt sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Der Trägeranteil in NRW liegt heute de facto bei 18% – wenn die jeweilige Kommune ihrer Ortskirchengemeinde nicht freiwillig mehr Geld zuschießt.
In unserer Landeskirche werden so in ihren ca. 800 Kindergärten jährlich 60 Millionen Euro aus Kirchensteuern investiert, die beileibe nicht nur den Kindern der Kirchensteuerzahler zu Gute kommen. Nein, ganz fair ist das nicht!

Nun sagen manche, die Kirche lebt doch nicht vom Mammon, sondern von Gottes Wort. In welchem Verhältnis stehen Glaube und Moneten?
Unsere Idee von Kirche ist doch folgende: Es gibt eine unsichtbare Kirche aller Gläubigen – die kommt auch ohne Geld aus. Aber die sichtbare Kirche mit ihren Strukturen und Institutionen lebt unter den Bedingungen dieser Welt.
Richtig ist: Die Kirchen könnten auch mit weniger Geld leben. Wir könnten uns auf die spirituellen Angebote zurückziehen – und bräuchten dann die Kirchensteuer wohl nicht einmal.
Was in der Folge aber zusammenbräche, wäre das breite Feld der diakonisch-sozialen Angebote. Die könnten wir nicht mehr leisten. Das wäre aber ein gesellschaftlicher Verlust! Denn es war immer wieder so, dass soziale Initiativen in kirchlichen Kreisen begründet wurden – dann aber aus den Kirchen herausgewachsen sind.
Nehmen Sie den Begriff ‘Kindergarten’ – Name und Konzept gehen zurück auf den evangelischen Pfarrersohn Friedrich Wilhelm Fröbel im 19. Jahrhundert. Beides hat international Karriere gemacht. Sogar im Englischen benutzt man heute diesen Begriff.
Ähnliches gilt für vieles, was heute im Bereich der sozialen Arbeit gang und gäbe ist. So wird die Kirche da initiativ, wo sie Nöte wahrnimmt. Durch die Einnahmen aus den Kirchensteuern hat sie aber eine finanzielle Grundsubstanz, aus der heraus sie Initiativen auf breitere Beine stellen kann. Wenn sich ihre Ideen etabliert haben, ziehen sich die Kirchen oftmals auch aus diesen Arbeitsbereichen wieder zurück.

Nun rechnen die Finanzexperten des Kirchenkreises mittelfristig damit, dass die Einnahmen aus den Kirchensteuern stagnieren werden. Verluste aus demographischem Wandel und Austritten einerseits und andererseits Mehreinnahmen durch die gute wirtschaftliche Entwicklung sollen sich die Waage halten. Was bedeutet das für den Kirchenkreis?
Ganz schlicht: Wir werden auf Dauer nur halten können, was wir auch finanzieren können. In den letzten Jahren haben wir stark steigende Einnahmen erlebt – weil die Einkommenssteuereinnahmen insgesamt geboomt haben. Aber wir erleben auch, dass die Mitgliederzahlen zurückgehen.
In zehn Jahren haben wir im Kirchenkreis in der Summe 8.000 Kirchenmitglieder verloren – das ist so viel, wie Ihre Kirchengemeinde Hennef Mitglieder hat. Wir sind jetzt runter auf 117.000.
Viele Faktoren, die die finanzielle Zukunft der Kirchen bestimmen, können wir aber auch gar nicht abschätzen – etwa was die nachgelagerte Versteuerung der Renten ab 2030 für uns bedeuten wird.
In jedem Fall werden wir unsere Angebote anpassen müssen – und große Kostenfaktoren sind nun mal die Personalkosten. Wir müssten dann diakonisch-soziale Angebote kürzen oder die Mitfinanzierung stärken.

Wird es dann nicht bald einen Punkt geben, an dem das System der Kirchensteuer hinterfragt werden muss?
Ich persönlich bin ein großer Verfechter der Kirchensteuer. Wir bekommen den Kirchensteuereinzug durch die Finanzämter übrigens ja nicht umsonst, sondern zahlen dem Staat dafür mehr als auskömmliche 4% unserer Kirchensteuer. Das ist doch eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Der Staat stützt einen erfahrungsgemäß verlässlichen Sozialpartner, der seine Mitarbeitenden auch bezahlen kann, und die Kirche wirkt zurückhaltend-tolerant in die Gesellschaft hinein.
Was wäre denn die Alternative? Eine spendenbasierte Finanzierung der Kirchen? Wissen Sie, ich will keinen Opportunismus üben, um dann Spenden bei einzelnen Superreichen einzuwerben.
Das jetzige System ist demokratisch und transparent. Nach dem Ortskirchenprinzip gehen die Kirchensteuereinnahmen in unserer Landeskirche immer zuerst an die Kirchengemeinden. Dort bestimmen die Presbyterien vor Ort, wie die Gelder verwandt werden.
Und was die katholischen Geschwister seit dem Skandal von Limburg vermehrt tun, machen wir seit Jahrzehnten: Die Haushalte auf allen kirchlichen Entscheidungsebenen liegen offen aus und können von jedermann eingesehen werden. Ich finde, dass die Finanzierung in unserer evangelischen Kirche richtig vernünftig ist!